Am 01.02.2021 löste die europäische Verordnung über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe (VO (EU) 2019/1148), die sogenannte ExplosivstoffVO, die bisherige Verordnung (EU) Nr. 98/2013 ab. Die ExplosivstoffVO regelt die Bereitstellung, die Verbringung, den Besitz und die Verwendung von Stoffen, die für die unrechtmäßige Herstellung von Explosivstoffen (insbesondere zu terroristischen Zwecken) missbraucht werden könnten. Die Verordnung soll die Verfügbarkeit dieser Stoffe für die Allgemeinheit einschränken und eine angemessene Meldung verdächtiger Transaktionen in der gesamten Lieferkette sicherstellen.
Welche Stoffe sind von der Verordnung betroffen?
Betroffen sind Stoffe im Anhang 1 und 2 der EU-Verordnung. Im Anhang 1 sind die beschränkten Stoffe gelistet, im Anhang 2 finden sich die meldepflichtigen Stoffe. Für Stoffe in Anhang 1 ist die die Abgabe an Privatpersonen (sog. Mitgliedern der Allgemeinheit) oberhalb des in Spalte 2 aufgeführten Konzentrationsgrenzwertes untersagt. Dies gilt beispielweise für Wasserstoffperoxid > 12 % w/w, Salpetersäure > 3 % w/w und Schwefelsäure > 15 % w/w.
Regulatorische Anforderungen:
- Überprüfung bei Verkauf – nur für beschränkte Stoffe (Anhang I)
Um sicherzustellen, dass es sich bei dem Käufer um einen gewerblichen Verwender oder einen anderen Wirtschaftsteilnehmer handelt, fordert der Gesetzgeber von dem Verkäufer, dass er folgende Daten von seinem Kunden einholt und auf Plausibilität prüft: - einen Identitätsnachweis der zur Vertretung des Kunden/Unternehmens berechtigten Person
- Geschäftstätigkeit des Kunden/Unternehmens
- Name und Anschrift des Kunden/Unternehmen
- Kenn-Nr. des Unternehmens (z.B. USt-ldNr.)
- beabsichtigte Verwendung des beschränkten Ausgangsstoffes
Für diese Erklärung enthält die EU-Verordnung ein Muster im Anhang IV. Die Informationen müssen die Verkäufer 18 Monate lang ab dem Datum der Transaktion aufbewahren. Bei wiederkehrenden Transaktionen muss die Erklärung nur einmal im Jahr eingeholt werden, aber nur wenn immer dieselbe Person das abnehmende Unternehmen vertritt und wenn die Transaktion nicht wesentlich von vorhergehenden Transaktionen abweicht.
Die Überprüfungspflicht gilt für beschränkte Stoffe oder Gemische über den in Spalte 2 genannten Konzentrationsgrenzwerten, unabhängig von der Menge. Das heißt, die Pflicht gilt bei Überschreitung der Grenzwerte auch für Kleinstmengen, etwa für Teströhrchen oder Testsets für Labor- oder Analysezwecke.
- Unterrichtung der Lieferkette
Wer Ausgangsstoffe abgibt, muss die Käufer über die gesetzlichen Bestimmungen unterrichten. Bei den nach Anhang 1 beschränkten Stoffen ist dies die Information, dass sie von Mitgliedern der Allgemeinheit weder bereitgestellt noch von diesen verbracht, besessen oder verwendet werden dürfen. Für Stoffe des Anhangs 1 oder 2 müssen Abnehmer darüber informiert werden, dass Meldepflichten bestehen. Die Form der Information wird nicht vorgegeben. Die EU-Kommission empfiehlt, dies auf Sicherheitsdatenblättern, der Rechnung, in Verträgen oder auf dem Lieferschein vorzunehmen.
- Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter
Unternehmen müssen gewährleisten, dass die im Verkauf dieser Stoffe tätigen Mitarbeiter wissen, welche der angebotenen Produkte Ausgangsstoffe enthalten. Die Mitarbeiter müssen ihre Pflichten bei der Abgabe, der Information oder Meldung kennen. Beides muss dokumentiert sein, als Nachweis gegenüber den Inspektionsstellen.
- Meldung von verdächtigen Transaktionen, Abhandenkommen und Diebstahl
Alle Wirtschaftsteilnehmer (auch Käufer) müssen verdächtige Transaktionen sowie das Abhandenkommen oder den Diebstahl erheblicher Mengen, der in den Anhängen 1 und 2 aufgeführten Stoffe innerhalb von 24 Stunden ihrem Landeskriminalamt oder einer Polizeidienststelle melden.
Verdächtige Transaktionen weichen von den üblichen Erwartungen oder Interaktionen ab. Das Bundeskriminalamt nennt mehrere Verdachtskriterien (verdächtiges Auftreten oder Identität des Kunden, ungewöhnliche Lieferanschrift, Zahlungsweise oder Liefermethode, auffällige Angaben zur Verwendung). Gemeldet werden muss auch ein verdächtiger Kundenkontakt, der nicht zur Transaktion führt.
Besonders schwierig ist die Frage, ab wann eine Menge „erheblich“ ist. Die EU-Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Explosivstoffe mit tödlichem Potenzial aus geringen Mengen von Ausgangsstoffen hergestellt werden können und rät, sich im Zweifel an die Landeskriminalämter zu wenden.
Viele Anforderungen der Verordnung (EU) 2019/1148 (ExplosivstoffVO) galten auch nach der alten Verordnung (EU) Nr. 98/2013. In einem zentralen Punkt, nämlich dem Zugang zu diesen Stoffen für die sogenannten "Mitglieder der Allgemeinheit", bot die alte Verordnung Spielraum für individuelle nationale Regelungen.
Mit der neuen Verordnung bleibt es den Mitgliedstaaten weiterhin anheimgestellt, Jedermann Zugang zu diesen Stoffen zu gewähren. Neu ist jedoch ein Genehmigungsvorbehalt durch eine nationale Behörde (Artikel 6). Dies soll den Zugang erschweren und zugleich für eine bessere Kontrolle sorgen. Deutschland verzichtet auf diese Möglichkeit. Durch das deutsche Ausgangsstoffgesetz (AusgStG) ist Erwerb, Verbringung, Besitz oder Verwendung von beschränkten Ausgangsstoffen für Explosivstoffe für Mitglieder der Allgemeinheit verboten (§ 10 AusgStG). Mögliche Genehmigungen durch andere europäische Behörden werden nicht anerkannt.